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Der Greif

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Herkunft - Sagen - Wappen

geschrieben von Aribert Frhr.v.Puttkamer (Wollin)

 

Der Greif ist ja bekanntlich das Wappentier unserer schönen pommerschen Heimat und gleichzeitig auch das unserer puttkamerschen Familie. Aber was wissen wir über seine Bedeutung? Wo kommt er her und wie lange gibt es ihn - wenn es ihn denn gibt? Und seit wann hat er sich in unserer Familie eingenistet?

 

Da ich diese Fragen meinem Sohn nicht genau beantworten konnte, fand ich es an der Zeit, Hintergründe und Umfeld näher zu untersuchen.

 

Tasten wir uns also langsam zurück in die Vergangenheit, ins Mittelalter, in die Antike, in die vorchristliche Zeit und eben auch in die Sagenwelt.

 

Beginnen wir mit seiner Beschreibung. Wohl das älteste Bild zeigt ihn unter anderen Tieren auf einer ägyptischen Schminkpalette (um 3000 v.Chr.) aus dem Tempel von Nechen, die bestimmt war, das göttliche Sonnenauge zu salben. Und im kretischen Knossos (1500 v.Chr.) bewachten edle Greifen den Thron des Minos. Dargestellt wird er dort bereits mit dem Leib eines Löwen und mit dem Kopf und den Schwingen eines Adlers. Bisweilen hat er auch hinten Pranken, vom Adlerfänge, manchmal auch einen Löwenkopf mit Adlerschnabel, ausgestattet mit den Sinnen und der Schnelligkeit des Adlers und den Kräften des Löwen.

 

So ist der Greif also ein Fabeltier, ein Tier menschlicher Phantasie, wie auch das Einhorn und der Drache. Sollten wir auch den Wolpertinger nennen? Aber der ist wohl ein ausgesprochen bayerisches Phantasieprodukt der Neuzeit!

 

Ein auf die Ramessiden-Zeit des 13. Jh. v.Chr. zurückgehendes Dokument aus dem 2. Jh. n.Chr. berichtet vom Greif, er trage die Beute "in den Glanz der Sonnenkreise" empor. Es fährt fort:

 

"Der Greif ist der Lenker der Tiere ... sein Schnabel ist der eines Falken, sein Auge das eines Menschen, sein Leib der eines Löwen, seine Ohren wie die Flossen eines Meeresfisches, sein Schwanz der einer Schlange. Er hat Macht über alles auf Erden, gleich wie der Tod."

 

Seit uralten Zeiten galt der Löwe als das stärkste und mutigste aller Landtiere, unter den Vögeln sah man den Adler mit dieser hochgeschätzten Eigenschaft. So glaubte naiver Sinn, dieses neue Tier muß noch mehr Kraft und Mut haben. Seine besondere Note: lange große Ohren, etwa wie ein Pferd (was dem Adler fehlt).

 

Der Name hat allerdings nichts mit greifen, ergreifen, angreifen zu tun, obwohl es gut passen würde (lt .div. Lexika: Aus dem assyrischen Kerub entstand das althochdeutsche grifo). In fremder Sprache gebildet, hat sich das Wort allmählich zu der uns gewohnten Form gewandelt. Der Weg des Greifen zu uns führte über die Antike (Griechenland, Rom und Orient) bis an die Ostsee. Sein Geburtsort scheint der vordere Orient zu sein; genau weiß das niemand. Auch das genaue Geburtsdatum läßt sich nicht angeben, aber rund fünftausend Jahre ist er wohl alt. Im griechischen Kulturkreis galt der Greif - er war dem Apollo heilig - als kraftvoller, kämpferischer Wächter über Gold und Edelsteine im Kaukasus oder Indien.

 

Das frühe Christentum sah in dem Doppeltier ein Sinnbild für Christus, der zugleich Gott und Mensch war. Nach mittelalterlichen Handschriften waren Greifen sogar in der Arche Noah: ein Männchen und ein Weibchen. In dieser Zeit glaubte man tatsächlich an die wirkliche Existenz des Greifen. Er war den Menschen bekannt aus der Legende der Greifenfahrt Alexanders des Großen. Es heißt da, Alexander (356 - 326 v.Chr., König von Makedonien) wollte erforschen, ob Himmel und Erde wirklich zusammenstoßen. Nahe dem Ende der Welt traf er auf zwei Greifen. Er ließ sie zusammenbinden mit einem Joch, stieg darauf und flog mit ihnen in die Höhe. Diese Legende wurde im Mittelalter zum beliebten Lehrbeispiel für Hoffart. Vom 12.Jh. an wird sie dem Kirchgänger an den Domen mahnend vor Augen gestellt.

 

Als Wappentier der Normannen und der alten, auf die Etrusker (8. bis 1. Jh.v.Chr.) zurückgehende Stadt Perugia geht der Greif auch in die Heraldik ein. In der byzantinisch-orientalischen Welt diente er als bevorzugtes Ornament auf Geweben, überliefert z.B. als Gewandbesatz aus Ekbatana (Abb.l), der antiken Hauptstadt Mediens (heute HamadanlIran). Er wurde dann auch vom Abendland übernommen.

 

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Wir sehen also, daß der Greif ein mächtiges Alter hatte und in der Welt weit herumgekommen war, ehe er zu uns nach Pommern kam.

 

Im Jahre 1181 hat Kaiser Friedrich Barbarossa die pommerschen Herzöge als Fürsten des Reiches anerkannt und sie mit ihren Herzogtümern belehnt (z.B. Pommern-Wolgast, Pommern-Stettin

 

etc.). Sie kultivierten den Greif, nannten sich selbst das Greifengeschlecht und Pommern das Gebiet der Greifen. Das älteste erhaltene Siegel mit dem Greifen - in noch primitiver und steifer Form - findet sich als Wachsabdruck (Abb.2) in einer Urkunde von Herzog Bogislaw II . (1187-1220) von 1214.

 

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Bogislaw ist übrigens der häufigste Name im Greifengeschlecht, der ja auch in unserer Puttkamerschen Familie oft verwendet wurde und wird. Der letzte Herzog von Pommern-Stettin, Bogislaw XIV., war als einziger ab 1625 gleichzeitig auch Herzog von ganz Pommern. Gegen Ende des 30-jährigen Krieges starb er kinderlos am 10.3.1637. Damit endete auch das Greifengeschlecht und Hinterpommern kam mit dem Westfälischen Frieden 1648 zu Brandenburg-Preußen.

 

Um die pommerschen Städtenamen, die nach dem Greif benannt sind, ranken sich viele Sagen, die auf mittelalterliche Überlieferungen zurückgehen. Es wird erzählt, daß der Greif, der in einigen Orten Pommerns genistet habe, bei der Gründung der Städte Greifenberg, Greifswald und Greifenhagen eine bedeutende Rolle gespielt habe. So berichtet die Sage z.B. in einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1829 über die Gründung von Greifswald folgendes: "Einige alte Leute glauben den Ort angeben zu können, wo im nördlichen Teile der Stadt Greifswald, da das Dorf Schuberhagen gestanden haben soll, der vierfiißige, doppeltgeschwänzte Vogel Greif sein Nest auf einem abgebrochenen Baumstamm gehabt hat. Er raubte und fraß oft Kinder aus Schuberhagen und soll nur von den ersten Mönchen des Klosters Eldena habe verjagt werden können". Ausfiihrlicher lautet die Sage bei Temme wie folgt: "An der Stelle, wo gegenwärtig die Stadt Greifswald liegt, war vorzeiten ein großer dichter Wald. Als nun die Mönche des Klosters Eldena hier eine Stadt gründen wollten, schickten sie Leute aus, um einen passenden Platz dafür auszusuchen. Die fuhren den Ryckfluß abwärts und gingen dann seitwärts in den Wald hinein.

 

Auf einmal fanden sie daselbst auf einem abgebrochenen Baumstamm ein Nest, in dem ein großer vierfüßiger Greif mit einem doppelten Schwanz saß und brütete. Dies schien den Abgeordneten des Klosters ein günstiges Zeichen zu sein, und es wurde beschlossen, an dieser Stelle die Stadt zu erbauen, was dann auch geschah. Den Platz, wo man das Greifennest fand, ist in dem Teile der Stadt gewesen, der jetzt Schubhagen heißt. Hier sind von den ältesten Zeiten her viele schreckliche Geschichten vorgefallen: Der vertriebene Greif hat anfänglich noch manches Kind von da geholt und gefressen. In neuerer Zeit sind diese Spukerscheinungen aber nicht mehr gesehen worden."

 

Greifenberg Z.B. leitet sich her von Griphenberg, das ist Berg des Greifen. Und zu Greifenhagen (Gryphenhagen, das ist Hain des Greifen), heißt es in der Sage, der Greifhabe auf einem mit den Wurzeln in der Erde haftenden Baumstumpf sein Nest gehabt.

 

Abgesehen von den oben erwähnten Städten Pommerns gibt es natürlich eine Reihe weiterer Städte und Orte im deutschsprachigen Raum, die nach dem Vogel Greif benannt sind. Hier nur einige Beispiele: Greifendorf Greifenhain. Greifenstein. Greiffenberg, Greifenberg (A), Greifensee (CH).

 

So vielfältig, wie der Greif in den Ortsnamen auftaucht, so variantenreich ist er auch in unseren pommersehen Städtewappen vertreten, wie z.B. im Stettiner Wappen zur Herzogenzeit (Abb.3)

 

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oder im Siegel von Greifenhagen (Abb4).

 

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Die in der Anlage aufgeführten Beispiele (Abb.5) sind Darstellungen aus der neueren Zeit.

 

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Und da sehen wir sowohl den vierfüßigen als auch den Fischgreif, der bereits im pommerschen Gesamtwappen von Herzog Johann Friedrich (1542- 1600) von Pommern-Stettin (Abb.6) enthalten ist, wie auch im Wappen des Herzogtums Pommern (Abb.7).

 

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Als Büste im Veitsdom zu Prag entdecken wir Elisabeth von Pommern mit Greifenwappen (Abb.8).

 

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Sie ist die Tochter von Bogislaw V. (1326-1374), verheiratet mit Kaiser Karl IV. von Böhmen.

 

Fast 300 Jahre später finden wir das Wappen der Provinz Pommern (Abb.9), dargestellt in den Heraldischen Mitteilungen von 1896, in stark veränderter Form gegenüber dem oben erwähnten Herzogswappen wieder; gemeinsam haben sie aber den Greif, den Spangenhelm und die bei den Schildhalter. Diese Ausfiihrung wiederholt sich 1929 (Abb.l0), wenn auch in einer etwas klobigeren Form.

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Der Einfluß der sich stets ändernden Mode ist auch hier nicht zu verkennen. Das Vergnügen an allerlei Pomp und Pracht führte dazu, an den Seiten eines Wappens noch besondere Schildhalter aufzustellen. Sie sollten den Schild stützen und notfalls auch gegen böse Feinde verteidigen. Aber auch hier waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. So dienten nicht nur Menschen (hier: der martialische Bursche mit königlich-preußischer Fahne und der geharnischte Ritter mit blau-silbernen Federn und Greifenfahne) sondern auch Tiere als Schildhalter (Abb.11), wie Z.B. im englischen Wappen oder - näher zu uns - das Wappen des Landkreises Stolp. Da sind zwei Wölfe (Abb.12) mit Sense und blau-weißer Fahne die Schildhalter. Daß Landkreise Wappen führen, ist eine neuere Erscheinung, die um 1930 begann. Die Fortsetzung finden wir übrigens heute auf unseren Kfz-Nummernschildern, auf denen sich die Bundesländer mit ihren Landeswappen schmücken.

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Aber zurück zum Wappen unserer Familie, die den Fischgreif bereits seit etwa 1300 im Schilde führt. Das älteste nachweisbare Siegel findet sich in unserer Alten Familiengeschichte (AFG) z.B. bei Jesko von Rügenwalde aus dem Jahr 1337 (Abb.13) und weiteren Zeitgenossen (Abb.14+15). Dort wird er dargestellt mit Flügeln nach bei den Seiten und Flossen am nach vorn gekrümmten Fischleib. Wir sehen, wie unser Fischgreif mit seinem Umfeld die Wandlungen durch die vielen Jahrhunderte durchschritten hat.

Auch bereits erloschene Häuser anderer Adelsfamilien wie die Roxin, Gork und Paulsdorff (Abb.16-18) sollten der Vollständigkeit halber erwähnt werden - schon wegen der Ähnlichkeit zu unserem Wappen.

Die Darstellungsform unseres heutigen Wappens (Abb.19) wurde im Auftrag von Kusine Ellinor, der Autorin unserer Neuen Familiengeschichte (NFG), wieder der Zeit angepaßt und ist mit spitzem Schild, Topfhelm und stilisierten Helmdecken heraldisch korrekt.

Dennoch gab und gibt es immer wieder abweichende Ausführungen (Abb.20-25) im Detail bei Schild- und Helmformen wie auch in der Helmzier. Der geschlossene Helm, auch Stechhelm genannt, war das Kennzeichen eher bürgerlicher Familien. Adelige Wappen sind (lt.Brockhaus) seit ca. 1450 meist zu den Bügel- bzw. Spangenhelmen übergegangen, wie anliegende Beispiele zeigen.

Für die freiherrliche Linie (Wollin), die mit Georg-Dietrich (1681-1754) beginnt, gibt es 11. AFG keine authentische Wappenform, die unserer uradeligen gegenübergestellt werden könnte. Dennoch sind hin und wieder abweichende Darstellungen mit zwei Helmköpfen etc. gesehen worden. So z.B., wenn auch etwas undeutlich, in den in der AFG abgebildeten Gemälden (Abb.26+27) der beiden Georg-Dietrichs (Vater und Sohn).

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Auch das über die Flucht gerettete silberne Zigarettenetui (Abb.28), das ich von meinem Vater zu Konfirmation am 4. Februar 1945 erhielt, enthält eine Wappengravur mit zwei Helmköpfen.

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So sollte als Abschluß zu diesem Bericht, vielleicht auch zu seiner Vervollständigung, eine neu von mir bearbeitete Fassung (Abb.29) angefügt werden und ich ende mit unserem Wappenspruch "Artificiosa non durant" (Künstliches hat keinen Bestand).

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Quellen:

Die vergessene Bildersprache christlicher Kunst, H. und M. Schmidt, Beck -Verlag Zeitschrift POMMERN, 1167,1180 und 4/83

Katalog DIE GREIFEN, Ausstellung März bis Mai 1996, Kiel Der Landkreis Stolp in Pommern, Karl-Heinz Pagel

Internet 2003

Puttkamersche Familiengeschichte AFG und NFG

 

 

In Blau ein gold gekrönter und bewehrter roter Greif, der unten in einen nach vorn gekrümmten, silbernen Fischleib ausläuft; auf dem Helm mit rot-blauen (rot-silber-blauen) Decken zwei auswendig-gekehrte silberne Beile (Streitäxte) auf sparrenartigem g. Gestell, das oben mit drei (rot, silber, blauen) Straußenfedern bedeckt ist.

  

 

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"Artificiosa non durant"

 

übersetzt " Seid wahrhaftig - alles Gekünstelte ist nicht von Dauer ! "